von Dr. Heike Weber und Wilfried Jürges

Es ist durchaus überraschend, zumal durch die Veränderungen der Landschaft, insbesondere die Zunahme des Maisanbaus, eher das Gegenteil vermutet würde, aber die Weißstorchpopulation in der Grafschaft wächst.

Den Tiefpunkt, mit ca. 250 Brutpaaren in Niedersachsen, hatte die Population im Jahr 1988. Das war nicht immer so, denn Anfang des 20. Jahrhunderts waren es noch ca. 4500 Paare. Seit Ende der 1980 er Jahre hat sich der Bestand auf heute ca. 800 Paare erholt. Ein Grund hierfür könnte die Wiederansiedlung von Nachkommen aus Zoos und Pflegestationen sein. Diese halbwilden Störche haben teilweise ihr Zugverhalten geändert und überwintern vermehrt in Spanien, statt in Westafrika. Da sie dort genügend Futter finden und nicht so vielen Gefahren ausgesetzt sind, wie auf der langen Reise nach Afrika, kommen auch mehr Störche zurück und vergrößern so unsere heimischen Bestände. Trotz dieser erfreulichen Entwicklung benötigt der Storch weiterhin unsere Unterstützung. Problematisch ist, das es immer weniger Feuchtwiesen gibt und dadurch Nahrungsgebiete verschwinden.

Der neue NABU Weißstorchbetreuer, Wilfried Jürges, hat jüngst seinen Abschlussbericht für das Jahr 2017 vorgelegt. Allein im Tierpark Nordhorn sind 35 Jungstörche ausgeflogen! In der großen ausladenden Eiche zwischen Totenkopfaffengehege und Wolfsanlage wurden 13 Nester entdeckt. 6 Paare haben hier erfolgreich gebrütet und 18 Jungstörche (2×2, 2×3 und 2×4 Jungstörche pro Nest) großgezogen. In fünf weiteren Baum-Bruten auf dem Tierparkgelände sind 9 Jungtiere erfolgreich aufgezogen worden (4×2 und 1×1 Jungtier).

Zudem gibt es auf dem Tierparkgelände zwei Dach-Nistplätze. „Das auf der Afrikascheune brütende Wildstorchenpaar sucht diesen Platz seit 2009  jedes Frühjahr wieder auf. Dies haben wir mit Hilfe von Leo Hesselink und Wilfried Jürges, die beim Ringnummernablesen geholfen haben, herausfinden können“, verrät Dr. Heike Weber, Kuratorin und Zootierärztin. Bei Störchen, die als Jungtiere beringt wurden, kann anhand dieses Ringes Herkunft und Alter ermittelt werden. Beide Elterntiere stammen aus Spanga in den Niederlanden, wo sie 2004 bzw. 2006 als Nestlinge beringt wurden. In diesem Jahr haben sie vierfachen Nachwuchs erfolgreich aufgezogen.

Gleich viele Jungtiere hatten auch die Störche auf dem Vechtehof. Hier handelt es sich beim Männchen um einen unberingten Wildstorch, während das Weibchen „Oma“ ein ehemaliger Gehege-Storch ist. Sie schlüpfte 1999 im Tierpark Nordhorn und wurde mit ihrem ersten Partner zusammen nach Fertigstellung des Vechtehof-Gebäudes dort angesiedelt. Zu einer Zeit, als es noch keine Storchenpopulation im Tierpark gab. Sie ist auch der einzige echte „Tierparkstorch“, alle anderen Störche, sogar ihr Partner sind Wildstörche. Bis auf einen kleinen Ausflug im Jahr 2013 ist sie all die Jahre ganzjährig im Tierpark geblieben und zieht als einziger Storch nicht gen Süden. „Oma“ ist ein zahmer Tierparkstorch, der per Hand von Bauer Harm zugefüttert wird. Die beiden am Vechtehof sind damit die einzigen Störche im Tierpark, die überhaupt Futter von den Mitarbeitern erhalten. Alle anderen sich im Tierpark aufhaltenden Störche sind waschechte Wildstörche, die dies auch bleiben sollen. Sie werden nicht zugefüttert, sondern müssen sich ihre Nahrung zu 100%  in den umliegenden Wiesen und Feuchtgebieten selber suchen. Weißstörche bringen während der Kükenaufzucht vor allem Regenwürmer, später aber auch Insekten, Amphibien, Reptilien oder Kleinsäuger bis zur Größe eines Maulwurfes zum Nest. Der Radius, indem sie nach Futter suchen beträgt ungefähr 5 km um das Nest herum. „Wir wissen nicht genau, warum diese Wildstörche ausgerechnet den Tierpark als Brutplatz ausgesucht haben,“ so Heike Weber weiter, „ aber sie stellen natürlich eine Bereicherung dar. Ihr Futter müssen sie sich aber schon selber suchen.“

Sieben weitere Storchennester außerhalb des Tierparkgeländes konnte Wilfried Jürges  in der Grafschaft Bentheim noch ausfindig machen. In dreien sind Jungstörche ausgeflogen, 8 an der Zahl (2×3 und 1×2). Diese erfolgreichen Paare nisteten an der Vechte in Tierparknähe, in Laar sowie in Bardel.

Der Tierpark versucht seit Jahren in Kooperation mit dem NABU, Weißstörche auch an andere Standorte in der Umgebung zu locken. 7 Nisthilfen wurden vom NABU mit Unterstützung ehrenamtlicher Helfer in der Grafschaft errichtet, eine davon (an der Vechte in Tierparknähe) wurde nun wiederholt erfolgreich angenommen. „Das freut uns natürlich sehr“, so Dr. Nils Kramer, Leiter des Tierparks Nordhorn. „Denn auch wenn die 20 Nester im Zoo mit den 35 ausgeflogenen Jungstörchen ein beeindruckender Anblick sind, so wünschen wir uns doch, dass sich die Störche mehr in der gesamten Grafschaft verteilen und es nicht nur diese eine punktuelle Besiedelung  gibt“, so Kramer weiter. „Dem kann der NABU, dessen Wappenvogel der Weißstorch ist, nur zustimmend“ ergänzt Wilfried Jürges. Er hofft sehr, dass auch zukünftig Privatpersonen ihm Storchennester in der Grafschaft melden, um diese in sein jährliches Monitoring mit aufnehmen zu können.

 

Mehr zum Thema Weißstörche können Sie auf der Homepage von Wilfried Jürges nachlesen: https://www.stoerche-grafschaft-bentheim.de/ oder im Bentheimer Jahrbuch 2014 : „Die Störche vom Vechtehof“ von Dr. Heike Weber und Franz Frieling. Im Emsland Jahrbuch 2012 findet sich ebenfalls ein Storchenartikel mit dem Thema „Der Weißstorch – ein Gradmesser für den Zustand der Natur“ von Dr. Andreas Schüring.