Geschichte des Vechtehofes

Der Vechtehof im Tierpark Nordhorn – Ein ehemaliges Neubauernhaus aus Frensdorf

von Heinrich Voort, aus dem Jahrbuch des Heimatvereines Grafschaft Bentheim 2005

I. Einleitung

Auf dem Erweiterungsgelände des Nordhorner Tierparks ist im Jahre 2000 nach alten Plänen und unter Verwendung originalen Gebindes der sog. Vechtehof als Kerngebäude eines Ensembles aufgebaut worden, das die Wohn- und Lebensverhältnisse auf einer kleinen Hofstelle des früheren Kirchspiels Nordhorn nachbilden soll (Abb. 1). Inzwischen sind dort auch mehrere Nebengebäude wie Stallung und Schuppen entstanden, und verschiedene Haustierrassen, wie sie früher in der Grafschaft Bentheim häufig anzutreffen waren, darunter das „Swatbunte“ Bentheimer Schwein, haben auf dem Gelände eine Bleibe gefunden. Die Hofstelle stand ursprünglich an der heutigen Friedrich–Ebert-Straße Nr. 23 in Nordhorn. vor Ihrem Abriss im Jahre 1998 war sie nach ihren letzten Nutzern bekannt als Gemüse- und Samenhandlung Adam Dorn. Das war Anlass, auf einer in die Vorderfront des Vechtehofes links von der Einfahrt eingemauerten Sandsteinplatte die Bezeichnung „Hofstelle Dorn“ einzumeißeln. Die Inschrift ist insofern nicht korrekt, als das Gebäude zu der Zeit, als es von dieser Familie bewohnt wurde, schon längst keine Hofstelle mehr darstellte. Die ältere Geschichte des Hauses war zum Zeitpunkt seines Abrisses in Vergessenheit geraten. Gründer und Erbauer des Hofes war der Neubauer Harm Weduwen. Die wechselvolle Vergangenheit der einstigen Neubauernstelle reicht zurück in die Phase der Erschließung der Frensdorfer Mark und deren spätere Einbeziehung in die Stadt Nordhorn.

II. Die Neubauernstelle Weduwen in Frensdorf

Beim Abbruch der Hofstelle, die heute Vechtehof heißt, konnte eine sandsteinerne Kamin- oder Herdplatte geborgen werden, die auch im neuen Gebäude wieder eingebaut wurde. Sie bot mit ihrer eingemeißelten Inschrift den Schlüssel zur Identifizierung des Ehepaares, das ohne Zweifel als Erbauer der einstigen Hofstelle anzusehen ist. Dort stehen zwei Namen und eine Jahreszahl zu lesen: H. Weduwen und G. Küpers, 1882. Unter Einbeziehung von Angaben aus anderen Quellen, auf die noch einzugehen ist, ließ sich dazu schnell ein Ehepaar finden. Nach den Kirchenbüchern der ev. -ref. Gemeinde Nordhorn[i] ließen sich am 14. April 1867 der unverheiratete Haussohn Harm Weduwen aus Bakelde (Sohn des Heuerlings Jan Weduwen) und die ebenfalls unverheiratete Dienstmagd Gese Küpers aus Bakelde (Tochter des Heuerlings Luks Kupers) proklamieren, d.h. sie bestellten das kirchliche Aufgebot. Getraut wurden sie am 25. April 1867. So wie die Eltern beider Brautleute bei vollbeerbten Höfen im Kirchspiel Heuerleute gewesen waren – vom Brautvater wissen wir, dass er Heuermann von Hoff in Frensdorf war – so nahm auch das junge Paar eine Heuerstelle an. das ist der Taufeintragung ihres 1870 geborenen Kindes zu entnehmen, bei der der Pastor als Eltern „Heuerling Harm Weduwen und dessen Ehefrau Gese geb. Küpers zu Frensdorf“ verzeichnet hat. Wenn die Eheleute abweichend von der sonst üblichen Namengebung ihren ältesten Sohn (*1870) nicht nach dessen Großvater väterlicherseits, sondern nach dem auf der Mutterseite Lukas nannten und auch der ersten Tochter (*1873) den Namen der Großmutter mütterlicherseits Swenne gaben, so könnte das darauf hindeuten, dass sie zu den Eltern der Ehefrau auf die zum Hof Hoff gehörende Heuerstelle gezogen waren. In gewisser Weise bestätigt wird dies durch eine von Herrn vor dem Grundbuchamt 1878 gemachte und protokollierte Aussage, nach der er „auch eine Scheune besitze, welche er mit Genehmigung des Colons Hoff in Frensdorf, seines Verpächters, für die Dauer des zwischen ihnen bestehenden Pachtverhältnisses auf dessen Grund und Boden aufgeführt habe und zwar in der Nähe eines der Hoffschen Heuerhäuser. Eine Hausnummer habe die Scheune nicht“[ii]. Bald schon eröffnete sich dem Pächterehepaar eine völlig neue Lebensperspektive, di ihrer abhängigen und unselbständigen Stellung in der Bauernschaft ein Ende bereitete. Der Grund lag in der Markenteilung. Als in den Jahren 1869 bis 1885 die Frensdorfer Mark (Abb. 2) durch eine Spezialteilung unter den darin Berechtigten aufgeteilt wurde, erhielten die sechs in Frensdorf als Vollerben eingestuften Bauernhöfe von den in die Teilungsmasse einbezogenen reichlich 1642 Hektar Ödland je 71 bis 92 ha (in Abhängigkeit von der Bodenqualität)[iii]. Auch andere Nutzungsberechtigungen in der Mark, die von Frensdorfer Köttern ebenso wie von Nordhorner Bürgern nachgewiesen werden konnten, wurden durch eine Zuteilung von Markengrund abgefunden. Als Heuermann in Frensdorf hatte Harm Weduwen den Anspruch auf ein Plaggenstichsrecht angemeldet. Die übrigen Markenberechtigten anerkannten 1871 diesen Anspruch, und der über die Teilung angelegte förmliche Rezess vermerkte, Harm „erhält eine verhältnismäßige Plaggenstichsabfindung“. Sie sollte 49,8 ar betragen und wurde in drei Parzellen „am Luckskamp“ ausgewiesen. das war zu wenig für einen eigenständigen landwirtschaftlichen Betrieb, es musste ihm also daran gelegen sein, weitere Flächen zu erwerben. Die Aussichten dafür standen nicht schlecht. Nicht wenige Frensdorfer Bauern nämlich haben damals einige Parzellen aus der ihnen zugewiesenen Markenabfindung an Interessenten verkauft. Das brachte dem Bauern Bargeld ins Haus und minderte zugleich seine Steuerlast. Vor allem aber bot dieser Verkauf einigen jungen Leuten, die sonst ihr Auskommen nur als Heuerleute hätten finden können, die höchst willkommene Gelegenheit, selbst Land zu erwerben und darauf eine Siedlerstelle zu errichten. Zu ihnen gehörten auch Harm und Gese Weduwen. Sie kauften 1882 und 1885 mehrere Parzellen aus den Frensdorfer Markenabfindungen von Colon Bernd große Strötker (der auf einen Hof in Achterberg gezogen war) und von Kötter Jan kleine Strötker. Harm Weduwen Aufwertung im Stand wird dadurch deutlich, dass die Landung zum Termin für die Anmeldung von Ansprüchen noch an ihn als „Heuermann“ gerichtet war, während ihn das in den Rezess vom 4. Mai 1885 aufgenommene Verzeichnis aller an der Markenteilung Beteiligten schon als „Neubauer“ ausweist. Wenig später wurden die neuen Eigentumsflächen amtlich bekannt gemacht. So weist das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Osnabrück vom 25. Mai 1885 die Anlage eines neuen Grundbuchblattes der Gemeinde Frensdorf nach, in dem auch zwei Neubauern verzeichnet waren, unter ihnen „Neubauer Harm Weduwen und Gese geb. Küpers“. Wann genau die Eheleute Weduwen sich in der Frensdorfer Mark niedergelassen und ihr Haus gebaut haben, ist nicht mit letzter Sicherheit festzustellen. Im Stückvermessungshandriss von 1873 ist das Haus noch nicht eingezeichnet, doch wurde dieser Bereich der Frensdorfer Mark nach der Beschriftung der Markenteilungskarte in den Jahren 1874 bis 1878 „eingetheilt“, d.h. die Flächen wurden auf die Neubesitzer verteilt. Nach dem Kataster von 1876 war Weduwen Eigentümer der Parzellen 4 und 10 auf Roters Kamp, auch gehörten ihm die Parzellen 16 bis 20 im Betreich Luxkamp, wobei er noch als Heuermann bezeichnet wurde. Definitiv vorhanden war die Hofstelle im Jahre 1885, als sie grundbuchlich fassbar wurde. Die Grundsteuermutterrolle nennt in einem vom 8. Juni 1885 erhaltenen Auszug die Eheleute Neubauer Harm Weduwen als Eigentümer von zehn Parzellen in Frensdorf mit einem Flächeninhalt von zusammen 2 Hektar 84 Ar 20 qm. Da es damals in der Bauernschaft Frensdorf noch keine Straßennamen gab, erhielt das Gebäude in fortlaufender Zählung die Hausnummer 60. Nach all dem steht zu vermuten, dass die Jahreszahl 1882 auf der Herdfeuerplatte das Baujahr des Hauses angibt. In der Erstausgabe des topographischen Messtischblattes Nordhorn, das 1895 vermessen und 1897 im Druck herausgegeben wurde, ist die Hofstelle Weduwen bereits deutlich zu erkennen: Sie lag an einem unbefestigten Weg, der von der Chaussee Nordhorn – Denekamp etwa auf der Höhe des Hofes Rigterink nach Südosten abzweigt, etwa 300 Meter von der Abzweigung entfernt (Abb. 3). Am 29. Dezember 1899 stellten Harm Weduwen und Frau beim zuständigen Amtsgericht Neuenhaus den Antrag, „unsere Neubauerei, Haus No. 60 zu Frensdorf, in die Höferolle“ einzutragen. Mit dieser Einrichtung sicherte der Gesetzgeber den Höfen Bestandsschutz und verhinderte ihre Zersplitterung durch Erbteilung. Als Bestätigung des Amtsgerichtes über die Eintragung unter Nr. 35 der Höferolle eintraf, ließen die Eheleute nachträglich darin aufnehmen, dass ihr zweiter Sohn Jan Anerbe des Hofes sein sollte, da der älteste Sohn Lukas bereits abgefunden sei. Lukas Weduwen war Lehrer geworden, zunächst in Plantlünne, bis er 1893 vom Kirchenrat in Bentheim zum Lehrer an der dortigen Volksschule und Organist gewählt wurde. Über ihn schrieb 1910 der Redakteur Heinrich Törner in einer Vorbemerkung im ersten Protokollbuch des Heimatvereins der Grafschaft Bentheim folgende Würdigung: „Das Verdienst, die Heimatschutzbewegung in der Grafschaft Bentheim in Fluß gebracht zu haben, muß, was ich hier festlegen möchte, Herrn Lehrer Weduwen-Bentheim zuerkannt werden.“ Sein am 1.April 1910 auf der Hauptversammlung des Bezirks-Lehrervereins Osnabrück gehaltener Vortrag über „Naturdenkmalpflege und Heimatschutz“ gab unmittelbaren Anlass zur Gründung unseres Heimatvereins. Weduwen wurde auf der konstituierenden Sitzung des Heimatvereins am 14. Juli 1910 im „Kaiserhof“ in Bentheim zum Schriftführer gewählt und übte dieses Amt viele Jahre aus. Es fällt auf, dass er bis Mitte 1935 seine Protokolle stets mit „Weduwen“ unterschrieb, seitdem aber mit „Wedewen“. Die Erklärung dieser Tatsache findet sich in einer Verfügung des Regierungspräsidenten in Osnabrück vom 4. Juli 1935, in der es heißt: „Der Rektor a.D. Lukas Wedewen in Bentheim hat bei mir die Berichtigung des Namens im Kirchenregister zu Nordhorn beantragt“, wonach das Geburts- und Taufregister der ev.-ref. Kirchengemeinde Nordhorn Jahrgang 1870 Seite 253 Nr. 99 mit dem Vermerk versehen werden sollte: „Der Familienname ist richtig Wedewen (nicht Weduwen)“. Vermutlich hatte die Beschäftigung mit seiner Familiengeschichte den Antragsteller zu dieser Erkenntnis gebracht. Doch zurück von diesem Exkurs, der dem Andenken des um die Heimatgeschichte verdienten Rektors Wedewen galt[iv], zu seinem Geburtshaus in Frensdorf, wo sein jüngerer Bruder Jan inzwischen die Hofstelle übernommen hatte. Auch ihm gelang es, durch Grundstückstausch und weitere Zukäufe die zu seinem Hof gehörenden Ländereien zu vermehren. Sie lagen nicht arrondiert um seine Hofstelle, sondern in der Bauernschaft verstreut. So weist die Grundsteuermutterrolle 1905 insgesamt 21 Parzellen mit zusammen 7 ha 87ar 17 qm als sein Eigentum aus. 1908 hat Jan Weduwen in Frensdorf beim Landrätlichen Hilfsamt in Neuenhaus ein Baugesuch zum Umbau seines Wohnhauses gestellt[v]. Vermutlich hatte es sich dabei um ein Fachwerkhaus mit einem Stroh- oder Reetdach gehandelt, hieß es doch in der Beschreibung „die Umfassungsmauern sollen massiv aufgeführt, das Dach feuersicher gedeckt und der Keller luftdicht hergestellt werden“. Auch in hygienischer Hinsicht war eine Verbesserung vorgesehen, plante der Bauherr doch, „die Babutzen zu entfernen und Schafstuben herzustellen“. Die Familie hatte bis dahin also in den im niederdeutschen Bauernhaus üblichen als Wandbett ausgebildeten Schlafstellen (Butzen) genächtigt, die durch Vorhänge, Schiebe- oder Klapptüren geschlossen wurden und von der Diele zugänglich waren. Die neuen Schlaf- und Wohnräume sollten eine lichte Höhe von drei Metern erhalten, im Übrigen wollte man sich alle baupolizeilichen Vorschriften halten, so führte der Bauantrag aus. Sehen wir uns die mit dem Bauantrag eingereichte Zeichnung an (Abb. 4), so lag das Haus auf einer 166 Meter breiten Parzelle mit seiner Längsseite parallel zum Gemeindeweg und fünf Meter von diesem entfernt. Es hatte eine Grundfläche von 16,48 m mal 10,5 m und maß in der Höhe drei Meter bis zur Dachtraufe und 10,6 m bis zur Dachfirste. Die Giebelseite nach Westen war symmetrisch angelegt, indem sie in der Mitte ein großes Dielentor mit Rundbogen aufwies und links und rechts davon je ein Fenster und eine Tür. Die große Diele reichte bis zur Hausmitte, links von ihr lag ein Lagerraum und eine Vorratskammer, dahinter führt ein Gang zu einer zweiten Außentür. Rechts der Diele befanden sich die Stallung und eine Waschküche, an die sich ein als „Düngerstall“ bezeichneter Anbau anschloss. Mensch und Tier lebten also, wie allgemein auf Bauernhöfen unserer Gegend üblich, unter einem Dach. Wie viel Vieh Jan Weduwen damals hielt, wissen wir nicht, da sich statistische Erhebungen aus Frensdorf nicht erhalten haben. Wir dürfen aber wohl davon ausgehen, dass er zwei Pferde für die Ackerbestellung hatte, ein oder zwei Kühe und Schweine. Das aber ist Spekulation. Hinter der Diele, so lässt die Zeichnung erkennen, lagen Küche und Stube, dahinter drei weitere Räume: im Norden die Schlafstube, anschließend eine beheizbare Stube und dann eine Kammer mit angehobenem Fußboden (eine sog. Upkammer), die als einziger Raum des Hauses unterkellert war. Nachdem die Gemeinde Frensdorf keine Einwände erhoben hatte, erteilte das Hilfsamt die Baugenehmigung. Schon im Juli 1908 vermochte der Bauleiter G. Averes anzuzeigen, dass die Rohbauabnahme erfolgen konnte; sie ebenso wie die Schlussabnahme ergaben keine Beanstandungen. Die Rückfrage der Behörde, ob ein vorschriftsmäßiger Brunnen vorhanden sei, wurde mit der Auskunft, „Weduwen hat Wasserleitung“ erledigt. Tatsächlich besaß Frensdorf damals schon eine für die Zeit gut entwickelte Infrastruktur. Dazu hatte zweifelsohne die Ansiedlung des Industriebetriebes von Niehues & Dütting (1898) und die Erweiterung des von Stroink (1905) auf Frensdorfer Gebiet beigetragen. Die Ausdehnung der Textilwerke war aber offenbar auch der Grund, dass Jan Weduwen mit seiner Familie kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges Frensdorf verließ und auf den von ihm erworbenen Hof Aalken am heutigen Hertinsweg in Bakelde zog. Wie alle nahe am Südrand des Betriebsgelände auf dem Osteresch von Frensdorf gelegenen Grundstücke gingen auch Weduwens Ackerländereien in den Besitz der Firma Niehues & Dütting über, die dort Wohnungen für ihre Mitarbeiter errichtete. Heinrich Specht weiß zu berichten, dass Niehues & Dütting in den Jahren von 1910 bis 1914 die Zahl seiner Werkswohnungen von 35 auf 78 erhöht hat[vi]. Auch die Fa. Ludwig Povel erwarb einen Teil der stadtnah gelegenen landwirtschaftlichen Flächen Weduwens. Ohne die Verkäufe im einzelnen nachzuvollziehen, sei doch soviel gesagt, dass Jan Weduwen sich in mehreren Schritten von seinem Grundbesitz in Frensdorf trennte. Schon 1912 hatte er eine Wiese „in den Kämpen“ und 1914 eine weitere große Parzelle in Frensdorf an die Firma Niehues & Dütting verkauft. 1915 überließ er ein größeres Grundstück auf dem Luxkamp an die Fa. Ludwig Povel und 1918 übereignete er noch einmal sieben Parzellen an Niehues & Dütting. Für unsere Betrachtung von Bedeutung ist die am 24.Juni notariell beglaubigte Veräußerung eines knapp 1,7 Hektar großen Grundstückes „mit den darauf stehenden Baulichkeiten“ an Fa. Niehues & Dütting, offenbar seinen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden. Damit hörte die Weduwensche Neubauerei auf, eine Hofstelle zu sein. Das Haus wurde als Werkswohnung vermietet, die hofnahen landwirtschaftlichen Flächen wurden bebaut. Gut drei Jahrzehnte hat die Familie Weduwen ihren Neubauernhof in Frensdorf bewohnt, bevor sie in Bakelde Fuß fasste. Im Adressbuch für die Grafschaft Bentheim von 1927 ist unter Bakelde aus der nächsten Generation der Familie nachweisbar Jan Harm Wedewen als Kötter in Haus Nr. 18.

III. die einstige Neubauernstelle Weduwen im Frensdorfer Wohngebiet

Nachdem die Fa. Niehues & Dütting 1914 die Hofstelle Weduwen erworben hatte, vermietete sie das Haus an Betriebsangehörige. Nachweisen lässt sich zwar nicht, da entsprechende Unterlagen nicht erhalten geblieben sind, doch darf man die aus späterer Zeit belegten Verhältnisse wohl zurückprojizieren. Spätestens seit der am 25. Mai 1921 von den Bürgervertretern der Gemeinde Frensdorf und der Stadt Nordhorn beschlossenen Eingemeindung wurden die Straßen im Bereich der Siedlung ausgebaut. Der frühere Weg durch die Heide führte zur Brücke über den Nordhorn-Almelo-Kanal und erhielt den Namen Brückenstraße. Laut Adressbuch des Jahres 1982 wohnte in der Brückenstraße 60 (die alte Hausnummer war geblieben) ein Hermann Lögers, vermutlich Betriebsangehöriger von Niehues & Dütting als Mieter. Specht weiß in seiner Geschichte Nordhorns zu berichten, dass 1929 die Brückenstraßenschule gebaut wurde[vii] (heute Frensdofer Schule), Zeichen für die Expansion und eine rasch steigende Bevölkerungszahl in diesem neuen Stadtteil. Ein undatierter vermutlich aus der Zeit um 1930 stammender Stadtplan zeigt im Betreich der Bernhardstraße beiderseits und am Bahnweg auf der nach Süden gewandten Seite eine praktisch geschlossene Bebauung mit Werkswohnungen. Dabei fällt allein das frühere Bauernhau der Familie Weduwen an der Brückenstraße wegen seiner isolierten Lage ebenso wie wegen seines Grundrisses heraus, der deutlich abweicht von den als Einfamilien- oder Doppelhäuser konzipierten Werkswohnungen mit einheitlichem Grundriss (Abb. 5). Die im Oktober 1934 vorgenommene Volkszählung nennt als Bewohner des Hauses Brückenstraße 27 den Arbeiter Jan Zweers mit seiner Familie, dann einen „Kostgänger“ und schließlich den Schwiegersohn des Hauptmieters, den Weber Adam Dorn mit seiner Frau Berndine geb. Zweers[viii]. Die während der NS-Zeit übliche Umbenennung von Straßen zu Ehren von Größen der Zeit ging auch an der Brückenstraße nicht vorbei. Ein Plan des städtischen Bauamtes aus dem Jahre 1937 weist sie als Hans-Schemm-Straße aus, auch die an ihr liegende Schule wurde entsprechend umbenannt. Nach dem Kriege kehrte man hier aber nicht wieder zum alten Namen zurück, fortan sollte sie Friedrich-Ebert-Straße heißen, das Gebäude, von dem wir hier reden, erhielt die Hausnummer 23. Vermutlich seit Kriegsende nutzte Dorn das Haus nicht nur als Wohnung, sondern richtete ein Geschäft ein. 1953 ist als Mieter der Obst- und Gemüsehändler Adam Dorn nachgewiesen, als ausweislich der Akten des Grundbuchamts Nordhorn die Fa. Niehues & Co. KG als Eigentümerin des Flurstückes dieser „mit dem aufstehenden Haus Friedrich-Ebert-Straße Nr. 23“ an Dorn verkaufte. Dazu wurde das Hausgrundstück mit 846 qm aus der mit mehreren anderen Werkswohnungen bestandenen und zwischen Friedrich-Ebert-Straße, Paulstraße und Bernhardstraße gelegenen Großparzellen katasteramtlich herausgetrennt und grundbuchlich umgeschrieben. Wenige Wochen später reichte Adam Dorn bei dem Bauamt der Stadt Nordhorn einen Bauantrag ein, der den Ausbau von Ladenlokalen in seinem Wohnhaus bezweckte (Abb. 6). Der dabei vorgelegten Bauzeichnung ist zu entnehmen, dass zur Straßenseite hin im mittleren Gebäudeteil ein Friseurgeschäft mit getrenntem Herren- und Damensalon eingerichtet werden sollte, während in der östlichen Hausecke, die um einem Anbau bis an die Baufluchtlinie vergrößert werden sollte, ein Obst- und Gemüseladen vorgesehen war. Der eine der beiden Vorschläge (der andere sah einen Ausbau im mittleren Hausabschnitt vor) wurde von der Stadt genehmigt und dürfte so auch ausgeführt worden sein. Gleichwohl wurde hier kein Friseurgeschäft eingerichtet, sondern die Ladenfläche insgesamt für die Zwecke des Obst- und Gemüsegeschäftes genutzt, während im angebauten Gebäudeteil Lager und Pferdestall eingerichtet wurden. Die von der Straße abgewandten Räume blieben in ihrer Konfiguration so erhalten, wie sie 1908 erstellt waren. Nachdem Adam Dorn sein Geschäft aufgegeben hatte und zu seinem Sohn nach Lage gezogen war, wurde das Hausgrundstück 1998 an eine Immobilien – Gesellschaft verkauft, die dort sieben Eigentumswohnungen errichtete. Das Haus selbst wurde fachmännisch abgebaut und vorübergehend eingelagert, bis es auf dem Gelände des Tierparks in seiner der ursprünglichen Zweckbestimmung entsprechenden Raumaufteilung wieder errichtet werden konnte. Der Vechtehof, das einstige Neubauernhaus Weduwen aus Frensdorf, wird kommenden Generationen Leben und Arbeit auf einer Siedlerstelle des späten 19. Jahrhunderts im Kirchspiel Nordhorn verdeutlichen.

Literaturverzeichnis, Abbildungsverzeichnis

[i] Für Auskünfte aus den Kirchenbüchern der ev.-ref. Gemeinde Nordhorn danke ich Herrn Gerhard Plasger, Nordhorn [ii] Dem Grundbuchamt Nordhorn sage ich Dank für die Erlaubnis, die Grundbücher von Frensdorf Bd. I No. 4 und Bd. II Blatt 75 sowie Nordhorn Bl. 10483 einzusehen. [iii] Dank gilt dem Katasteramt Nordhorn, das mir Einblick in den Rezess über die Teilungssache der Frensdorfer Mark vom 30. Juni 1885 ebenso wie in die zugehörigen Flurkarten und Handrisse gewährte. [iv] Zu seiner Person vgl. die für ihn am 21. Oktober 1948 gehaltene Leichenrede: Kuno Hamer, Es ging ein Säemann aus …; in: Heimatkalender für die Grafschaft Bentheim 1950, S. 17 – 20, sowie den Beitrag von J. Götker, Lukas Wedewen, ein Organist; in: Heimatkalender 1950, S. 20. Einen weiteren Nachruf verfasste Ludwig Sager: Zum Gedenken verdienter Grafschafter. Lukas Wedewen 1870 – 1948, in: Jahrbuch Heimatverein Grafschaft Bentheim 1960, S. 5 – 6. [v] Bauaktenarchiv der Stadt Nordhorn, Akte Friedrich-Ebert-Str. 23. [vi] Heinrich Specht, Nordhorn, Geschichte einer Grenzstadt (Das Bentheimer Land, Bd. XXII), Nordhorn, 2. Aufl. 1979, S. 305. [vii] Specht, S. 349. [viii] Stadtarchiv Nordhorn, C I t 12.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text][v][/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text] Bauaktenarchiv der Stadt Nordhorn, Akte Friedrich-Ebert-Str. 23. [vi] Heinrich Specht, Nordhorn, Geschichte einer Grenzstadt (Das Bentheimer Land, Bd. XXII), Nordhorn, 2. Aufl. 1979, S. 305. [vii] Specht, S. 349. [viii] Stadtarchiv Nordhorn, C I t 12. [/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]